Deutsch-Chinesisches Dialogforum
2023

Yimeng Wu


50 Jahre Sino-deutscher Garten

- ein nachdenklicher Spaziergang durch 中德园 Zhongdeyuan

Wenn die deutsch-chinesischen Beziehungen ein Garten wären, wie sähe er aus?

Ich schreite ehrfürchtig durchs imposante Gartentor mit der Aufschrift 中德园 Zhongdeyuan: Davor wachen Gartenzwerge und Steinlöwen, die sich zuzwinkern, während sich vor mir Rabatte eröffnen mit Kamelienbüschen und Magnolien mit einem Teppich von elegantem Edelweiß und blauen Veilchen. Das sind wohl die wunderbaren Kooperationen und kulturellen Errungenschaften beider Länder. Da denke ich an große Aktionen wie „Deutschland – China gemeinsam in Bewegung“.

Mit den Füßen schreite ich auf weichem Gras – tapfer schlagen sich hier die Pilze, Moose und Flechten, die das zivilgesellschaftliche Netzwerk bilden. Es sind die zahlreichen Vereine, einzelne engagierte Menschen aus beiden Ländern, die sich mit voller Leidenschaft dem kulturellen und gesellschaftlichen Austausch widmen. Sie düngen den gemeinsamen fruchtbaren Boden.

Im Herz des Gartens befindet sich der große Baum – ein Ginkgo, der vor genau 50 Jahren gepflanzt wurde und heimisch ist auf beiden Kontinenten. Die zarte Pflanze wuchs zu einem stattlichen Baum heran.

Dieser hat schon einige Stürme überstanden. Er spendet Schatten für allerlei Vögel, die in allerlei Dialekten Deutschlands und Chinas zwitschern.

Beim genauen Betrachten des Baumes fällt mir auf, dass die Blätter trocken runter hängen.

In den letzten Jahren ist die klimatische Dürre schleichend an diesem Ort angekommen. Der Garten wurde vernachlässigt. Wenn die Ressourcen knapp werden, wächst auch die Angst vor invasiven Arten – den fremdartigen Gewächsen aus fernen Ländern…

Ich hebe ein Blatt vom Boden auf und hoffe, dass die Wurzeln des Baumes tief genug sind. Ein Garten unterliegt stetem Wandel. Ich frage mich, wie sich das lebendige Ökosystem wieder regenerieren kann?



Über die Autorin



Aufgewachsen in Shanghai, am Niederrhein und im Ruhrgebiet, fühlt sich die Designerin, Künstlerin und Dozentin Yi Meng Wu 吳禕萌 am wohlsten zwischen den Kulturen. Sie studierte an der Universität Duisburg-Essen, an der ENSAD (Paris) und an der Universität der Künste in Berlin. Die Wahlberlinerin ist Gründerin des Designbüros “Studio Wu 無” mit dem Fokus auf »Interkulturelle Gestaltung«. Das Spektrum reicht von Buchkunst, Grafik, Schriftgestaltung bis hin zu Rauminstallationen. Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet: u. a. mit dem German Design Award, den Schönsten Büchern in Deutschland und China.